Das heutige Binger Winzerfest

Erstmals 1946 wurde es nach dem Krieg wieder gefeiert und bald darauf kamen weitere Charakteristika dazu, die es über Jahre und zum Teil bis heute prägen. Zum Winzerfest vor 75 Jahren und dem ersten modernen Winzerfest 1928 gibt es eine Parallele: In beiden Jahren war Bingen französisch besetzt und Valentin Schaefer einer der Initiatoren.

1928 war Valentin Schaefer noch Binger Polizist und wurde in der Regierungsphase der NSDAP frühzeitig suspendiert und später sogar inhaftiert. Nach der Befreiung von Bingen im März 1945 wurde kurzzeitig der 1933 abgesetzte Bürgermeister, Hermann Sieglitz, übergangsweise in das vakante Amt berufen. Im Sommer 1945 folgte ihm Valentin Schaefer, der für die kommenden sieben Jahre Bürgermeister der Stadt Bingen blieb.

Das Binger Winzerfest vor 75 Jahren

1945 war die wirtschaftliche Lage abermals prekär. Gut möglich, dass Schaefer wie damals 1928 den Tourismus und die Wirtschaft der Stadt mit einem Winzerfest anregen wollte. So fand es vom 29. September bis 1. Oktober 1946 als dreitägiges Weinfest statt.

Freitag

  • Empfang der französischen Militärregierung
  • abends: Tanzrevue "Ferienreise über die Kontinente" mit der Tanzgruppe Smolich im Binger Kino - mit "Gauklern, Bajaderen, Girls und Maharadschas in bunter Tracht und prickelndem Glanz"

Samstag

  • Nachmittags ein Fußballspiel zwischen Hassia Bingen gegen (Duisburg-)Hamborn 07 - damals ein erstklassiges Fußballteam
  • abends eine Tanzveranstaltung in der Büdesheimer Turnhalle mit der Büdesheimer Tanz- und Spielgruppe

Sonntag

  • 10 Uhr Stafettenlauf durch die Binger Straße bis zum Speisemarkt
  • 10:30 Uhr: einstündiges Konzert der Feuerwehrskapelle auf Marktplatz mit Gesangseinlagen vom Männerquartett „Rheinperle“ und Volkstänze durch Büdesheimer Tanzgruppe
  • 10:30 Uhr für geladene Gäste Weinprobe in Festhalle
  • mittags: kostenloser Ausschank von 8000 Liter Wein
  • 15 Uhr: Weinverkauf auf dem Speisemarkt und in allen Binger Gaststätten samt damaligen Stadtteilen, sowie den Gemeinden Bingerbrück, Münster-Sarmsheim und Weiler
  • nachmittags: Platzkonzert der Binger Feuerwehrkapelle für 3 Stunden (bei schlechtem Wetter in der Festhalle)
  • 20 Uhr: Tanzvergnügen mit Ausschank und bei freiem Eintritt in Festhalle und verschiedenen Sälen der Stadt sowie den Stadtteilen Büdesheim, Kempten, Gaulsheim (Sperrstunde wurde aufgehoben)
  • ab Einbruch der Dunkelheit: Feuerwerk von Burg Klopp

Anlässlich Binger Weinwoche - so der Name des Winzerfestes 1946 - konnten sich alle Binger Bürger*innen am Samstagvormittag eine Flasche Wein ("Haushaltswein") besorgen. Er war nicht kostenlos, sondern wurde gegen den Abschnitt 36 der Lebensmittelkarte abgegeben. Im Neuen Mainzer Anzeiger vom 26. September 1946 wird erklärt:

„Die Anmeldung für diesen Wein ist von der Bevölkerung vor einer Woche durch den Abschnitt 36 der Lebensmittelkarte in den einzelnen Kleinhandelsgeschäften erfolgt.

Wie schon mitgeteilt, erfolgt die Ausgabe dieses Flaschenweins nicht durch die Einzelnhandelsgeschäfte, sondern durch die Gast- und Weinwirtschaften. Jeder, der bei seinem Kolonialwarenhändler Wein angemeldet hat, erfährt dort durch einen Aushang den Namen desjenigen Gastwirts, bei dem er sich den Wein abholen kann.

Bei der Abholung ist der Abschnitt 37 der Lebensmittelkarte vom Gastwirt abzutrennen.

Man kann den Wein beim Gastwirt trinken, man kann ihn aber auch mitnehmen. In letzerem Fall ist eine leere Flasche mitzubringen.

Die bei den Einzelhandelsgeschäften abgegebenen leeren Flaschen können dort wieder abgeholt werden.“

Eine ähnliche Aufbauhilfe gibt es anlässlich des Binger Winzerfestes 1947 (5./6. Oktober 1947).

"Soviel steht jetzt schon fest: Jeder Einwohner Bingens und seiner Vororte, selbstverständlich auch jede Frau und jedes Mädchen über 18 Jahre erhält eine Flasche Wein gegen einen Wiederaufbaustein, der auf Grund einer Abstempelung der Lebensmittelkarte für 1,50 Mark abgegeben wird. Jeder Wiederaufbaustein berechtigt gleichzeitig zur Teilnahme an allen Veranstaltungen. 

Bei dieser Regelung ist es sogar möglich, der Bevölkerung auch in sozialer Hinsicht das Winzerfest durch Unterstützung der Volksküche zugute kommen zu lassen. Schritte in dieser Hinsicht sind schon unternommen.

Durch Veranstaltung einer Lotterie können die glücklichen Gewinner für wenig Geld in den Besitz auch von mehr als einer Flasche Wein kommen. Der Reinertrag des Verkaufs der Wiederaufbausteine und Lose dient dem Wiederaufbau der Stadthalle."

(Quelle: Allgemeine Zeitung, 30. September 1947)

So lebte die 1928 begonnene Tradition weiter und entwickelte in den kommenden Jahren typische Charakteristika, die zum Teil noch heute eng zum Winzerfest dazugehören.

Der Umzug

Der Winzerfestumzug ist das verbindende Element des ursprünglichen und des modernen Winzerfestes. War es zu Beginn ein reiner Umzug der Winzer*innen kamen später Firmen, Vereine und auch private Gruppen hinzu. Weiterlesen...

Das Feuerwerk

Das Feuerwerk ist als weiteres Charakteristikum des Binger Winzerfestes seit 1946 ein fester Programmbestandteil. In den 1960er und 1970er Jahren gab es sogar zwei Feuerwerke. Weiterlesen...

Die Weinburgen

Sie stand lange Zeit für die Optik des Binger Winzerfestes: Die beiden Weinburgen mit ihren zahlreichen Fensternischen für den Ausschank der Weingutsweine. In der großen Burg auf dem Marktplatz und der kleinen auf dem Rathausplatz (später auf dem Freidhof) saßen die Besucher*innen und tanzten zur Musik der Weinburgkapelle. Weiterlesen...

Die Winzertanzgruppe

Der Name Elfriede Albers ist eng mit dem modernen Winzerfest verbunden. Die Ballettmeisterin war nicht nur die zweite Weinkönigin des Binger Winzerfestes, sondern auch die Gründerin der Winzertanzgruppe, die Mitte der 1950er Jahre entstand. Weiterlesen...

Der Zapfenstreich

In der direkten Nachkriegszeit gab es alljährlich einen Großen Zapfenstreich, ausgeführt durch die Binger Füsiliere und Musikgruppen. Eingeführt wurde er vom Binger Bürgermeister Horst Gebauer. Weiterlesen...