Die Rochuskapelle vor rund 140 Jahren
Die Abbildung dürfte eine der ältesten Fotografien der Binger Rochuskapelle sein, zudem eine von der damals selten fotografierten Nordseite. Der Ausschnitt aus einer Aufnahme um 1880 zeigt die zweite Rochuskapelle (1814-1889).
An der linken Außenwand sind die Reste der zerstörten ☆ Michaelskapelle ☆ von der ersten Rochuskapelle (1666-1795) zu erkennen, die zwischen 1710 und 1730 als Anbau der Vorgängerkirche an deren Ostseite errichtet wurde. Die Mauerreste bildeten eine Art Hof seitlich der Außenkanzel. Hier wurden während des Rochusfestes die in der Prozession mitgeführten Bilder und Fahnen an Stellagen aufgehängt.
Jene Michaelskapelle lag etwas tiefer als die erste Rochuskapelle, wie auf dem Foto an den Rudimenten der Fensteröffnungen gut zu erkennen ist. Erreichbar war sie durch eine Tür auf der dem Rhein zugewandten Nordseite und eine dahinter liegende Treppe. Den Altar schmückte eine Statue des Erzengels Michael. Aus dem Jahr 1751 stammt die älteste Erwähnung, dass in der Kapelle bis zu ihrer Zerstörung 1795 (im ersten Koalitionskrieg zwischen Frankreich und deutsch-österreichischen Truppen) alljährlich der Michaelstag festlich gefeiert wurde.
Mit dem Bau der neuen, zweiten Rochuskapelle konnte dort ab 1814 am Sonntag nach Michaelis (29. September) wieder das Fest des Heiligen gefeiert werden. Der Binger Bürger Adam Sensig schrieb am 2. Oktober 1814 in sein Tagebuch „auf dem sancti Rochi Berg [wurde] in der Sanct Michaels Capell Ambt und Predigt gehalten“. Ob der Gottesdienst ("Amt") tatsächlich in der Ruine der Michaelskapelle oder doch im Innenraum der neuen Rochuskapelle stattfand, geht nicht hervor.
Ungefähr ein Jahrzehnt nachdem das Foto entstanden ist, in der Nacht vom 11. auf 12. Juli 1889, wurde die zweite Rochuskapelle von einem Blitz getroffen und brannte bis auf die Grundmauern nieder.
Unmittelbar danach begann man, Geld für einen Wiederaufbau zu sammeln, der deutlich schmuckvoller und repräsentativer als seine Vorgängerbauten sein sollte. Bei so manchem spielte da wohl auch der Gedanke eine Rolle, auf dem Rochusberg ein weithin sichtbares sakrales Pendant zum inzwischen auf der anderen Rheinseite errichteten Niederwald-Denkmal zu setzen.
Mit dem Neubau bekam das Areal der Michaeliskapelle eine neue Rolle. Denn genau an dieser Stelle erhebt sich nun der 23 Meter hohe Kirchturm der dritten, heutigen Rochuskapelle. Darin befindet sich nun unten die „Kapelle der Heiligen“ in der die Reliquien der Rochuskapelle aufbewahrt werden. Im Vorraum fand jenes Rochusbild seinen Platz, das Goethe nach seiner Teilnahme an der Einweihung der zweiten Rochuskapelle (1814) gestiftet hatte.
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Es ist nicht der erste ArchivDingsTag zur Rochuskapelle. Weitere Informationen zur Geschichte der drei Rochuskapellen finden Sie hier:
Mit der Wallfahrt wurde der Hesselberg/Hisselberg zum Rochusberg: Hier lesen
Die heutige Rochuskapelle hatte zwei Vorgängerbauten: Hier lesen
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Bildhinweis: Das Foto wurde vom Stadtarchiv für diesen Beitrag koloriert und ausgeschnitten.
ArchivDingsTag, 20. August 2024