Mit der Wallfahrt wurde der Hesselberg/Hisselberg zum Rochusberg
Angesichts der vielen Pesttoten gelobte der Binger Magistrat auf Vorschlag von Amtmann Johann Ernst Baron Frey von Dehren am 17. Juli 1666, dem Heiligen Rochus als Schutzpatron der Pestkranken eine Kirche zu errichten und eine jährliche Wallfahrt durchzuführen. Noch im gleichen Jahr begann man mit dem Bau einer Kapelle auf dem Hesselberg, wie er zu jener Zeit wegen der vielen Haselnusssträucher genannt wurde und nun in Rochusberg umbenannt wurde.
1689 wurde Bingen von Truppen Ludwig XIV von Frankreich (genannt Sonnenkönig) im Neunjährigen Krieg (auch Pfälzischer Erbfolgekrieg genannt) geplündert und anschließend in Brand gesteckt. Die Rochuskapelle wurde ausgeraubt und das Innere zerstört. Neun Jahre später zum Rochusfest am 16.08.1698 konnte die feierliche Konsekration des neuen Altars gefeiert werden Die anfangs sehr einfache Kapelle hatte nun einen Anbau erhalten und war im Inneren neu ausgestaltet worden.
1795 wurde sie das Opfer des ersten Koalitionskrieges, nachdem Frankreich unsere Region 1792 besetzt hatte. Von einer in der Nähe der Kapelle angelegten Schanze beschossen französische Truppen die Regimenter der deutsch-österreichischen „Befreiungsarmee“, die auf der anderen Rheinseite Stellung bezogen hatte. Im Gegenbeschuss wurden Turm und Dach getroffen. Das Innere der Kapelle war bereits durch die französischen Soldaten geplündert worden. Vor ihrem Abrücken brachen sie auch den Rest bis auf die Umfassungsmauern ab.
Die Wallfahrten waren in napoleonischer Zeit verboten und konnten erst nach dessen Rückzug wieder aufgenommen werden. Man kann annehmen, dass die dramatische Situation von 1813, als die vom Russland-Feldzug und der verlorenen Völkerschlacht bei Leipzig zurückflutenden Soldaten Napoleons das Lazarettfieber (Flecktyphus) nach Bingen brachten, stark beeinflusst wurde. 532 Menschen starben damals in Bingen an der Seuche.
In einer beachtlich kurzen Zeit schaffte man den Wiederaufbau der Rochuskapelle. Zur Einweihung 1814 weilte auch Johann Wolfgang Goethe in Bingen. Nach einem Blitzschlag brannte sie 1889 bis auf die Grundmauern nieder. Doch sofort begann man mit Sammlungen für einen Neubau der allerdings repräsentativer gestaltet werden sollte und entschied sich daher für einen Architekten-Wettbewerb, der von Dombaumeister Max Meckel gewonnen wurde.
Auf dem Fundament des barocken Vorgängers entstand die heutige Rochuskapelle. Sie hat eine reich gegliederte Fassade und einen großen Außenchor. Bereits am 18.05.1891 erfolgte die Grundsteinlegung, begleitetet von Böllerschüssen und dem Glockengeläut sämtlicher umliegender Ortschaften.
Als am 17.08.1895, dem Vortag des Rochusfestes, der Altar im neuen Bau geweiht wurde, fehlte es zwar noch an der weiteren Innenausstattung, aber die Binger waren überglücklich und feierten ein „noch nie dagewesenes Fest“. Nach der Altarweihe und einem Festbankett mit 300 Teilnehmern im Hotel Rochusberg, das gegen Abend endete, begab sich die Festgesellschaft zum Hotel Victoria. Für die vielen Ehrengäste stand danach eine Schiffsfahrt nach Geisenheim und zurück auf dem Programm.
Die Stadt war über und über mit Fahnen geschmückt und abends festlich illuminiert. Selbst die kleinsten Gässchen waren herausgeputzt. Bingerbrück und dort das Hertersche Haus (Ruinen Kloster Rupertsberg, Vorgängerbau der heutigen Villa am Rupertsberg) waren bengalisch beleuchtet, wie auch die Burg Klopp. Die gesamte Binger Rheinfront und auch Rüdesheim auf der anderen Rheinseite strahlten im Lichterglanz. Überall am Ufer und sogar auf den Rheininseln gab es Freudenfeuer. Mehrfach wurde das „Te Deum“ auf dem Schiff angestimmt, in das die Bevölkerung entlang des Rheinufers einstimmte.
Gekrönt wurde das Ganze von einem „Raketenfeuer“, bevor das Schiff gegen 22 Uhr wieder in Bingen anlegte, wo die Gäste übernachteten und am nächsten Tag zum Rochusfest 1895 wallfahrten.
ArchivDingsTag, 15. August 2023