Was es mit den Baracken am Naheufer auf sich hatte

Haben Sie sich bei alten Fotos vom Naheufer aus der Zeit Anfang der 1900er Jahre gefragt, was es mit den Holzbaracken entlang des Naheufers, zwischen den Einmündungen der Straßen Hintere Grube und der damaligen Nahestraße (heute Schlossbergstraße) auf sich hat? Auf dem ersten Foto ist ein Teil zu sehen.

Die Viehställe und der Viehmarktplatz um 1904Nun, es waren Viehställe für den Viehmarkt der auf dem seitlichen freien Platz stattfand. In den Holzställen waren hauptsächlich Rinder/Ochsen/Kühe und Pferde untergebracht, die über die Straßen dorthin getrieben wurden, was man sich angesichts der Nähe zum Stadtzentrum heute schwer vorstellen kann. Es ist anzunehmen, dass sowohl Zuchtvieh für die Bauern (z.B. Ochsen als Zugtiere und Kühe für die Milchgewinnung), aber auch Schlachtvieh zum Verkauf stand. Wie geschäftig es dann zuging, zeigt das zweite Foto.

Im November 1897 beschloss die Stadtverordnetenversammlung die Abhaltung von Viehmärkten, die schon in den 1820er Jahren am Naheufer stattfanden. Vom 2. September 1897 bis Ende März 1898 gab es 15 Märkte, mit meist jeweils mehreren hundert Stück Vieh, die den Besitzer wechselten. 

Viehmarkttag auf dem Marktplatz am Nahekai (heute Stefan-George-Straße) um 1910Ob die Pferdemärkte gleichzeitig oder separat abgehalten wurden, ist nicht erwähnt. Der erste der alle 14 Tage zwischen April und Oktober stattfindenden Pferdemärkte war am 7. März 1899.

Der Binger Viehmarkt war sehr erfolgreich. 1899 wurden an einem Markttag etwa 350 Stück Vieh angeboten. Der in Konkurrenz gleichzeitig abgehaltene Viehmarkt in Kreuznach musste abgebrochen werden, weil die Viehhändler Bingen bevorzugten. Dazu muss auch beigetragen haben, dass die Stadt auf eigene Kosten jene Viehställe am Nahekai (heute Stefan-George-Straße) errichtet hatte. 1906 wurden sogar durchschnittlich 500 Rindviecher pro Markt angetrieben.

1907 war die Abhaltung von Viehmärkten wegen der Maul- und Klauenseuche ministeriell untersagt. Nach dem Drängen der Stadt auf Aufhebung des Verbots konnten im Sommer 1910 wieder Genehmigungen erteilt werden.

Die Viehmärkte fanden bis in die 1920er Jahre statt und waren für die Stadt und das Umland ein wichtiger Bestandteil für die Versorgung mit Nutz- und Schlachttieren.

Andere Zeiten, neue Vermarktungswege, aber auch die Kritik aus der Bevölkerung wegen des Geruchs und den Verschmutzungen durch die Tiere brachten dann das Ende.