Rudolf Engelhardt zum 130. Geburtstag

Dass wir Euch in unseren Posts #ArchivDingsTag wöchentlich ein „Archiv-Dings“ mit Hintergründen und Fotos präsentieren können, hat ein Mann großen Anteil, dessen Geburtstag sich am 12. August zum 130. Mal jährte: Friedrich Rudolf Engelhardt.

Geboren 1894 in Leipzig, von früher Jugend an literarisch interessiert und in die Drucktechnik eingeführt, schien er für den Weg eines Journalisten oder Verlegers bestimmt. Aber dann verpflichtete er sich der Naturheilkunde und wurde Heilpraktiker.

1937 kam er nach Bingen, weil sich ihm hier die Möglichkeit bot eine Heilpraxis zu eröffnen. An seine spätere Passion, die Binger Geschichte, dachte der Wahl-Binger damals noch nicht. Dazu passen seine Worte: "Leider fotografierte ich damals nur die Familie, im Haus, im Garten und im Urlaub. Ich bedauere sehr, dass das Vorkriegs-Bingen nicht dazu gehörte".

Das hat er erst Jahrzehnte später nachgeholt. Sein Einstieg in die Materie war die Naturheilkunde unserer Hildegard von Bingen. Da Hildegard ihr Kloster nach Rupertus und dessen Wohnstätte auf dem heutigen Rupertsberg benannte, hatte, interessierte er sich für dessen Geschichte. Daraus entstand sein erstes Buch, das er 1968 im alter von 74 Jahren veröffentlichte.

Wie ein ins Wasser geworfener Stein wurde in der Folge sein Wissensdurst in alle Richtungen getragen. Bingen zur Römerzeit - ein hochspannendes Thema, Bingen im Mittelalter - da gab es unendlich viel zu forschen. Bingen und seine Geschichte, dazu die Besonderheiten von Binger Bauwerken ließen ihn nicht mehr los. Der „Drang in die Geschichte und Wesen dieser Binger Landschaft einzudringen“ war zur Passion geworden. „Er erfasste sie […] aus der aufgeschlossenen Sicht eines Zugewanderten“, schreibt die AZ am 12.08.1974 zu seinem 80. Geburtstag „die Jahre des konsequenten Suchens und Forschens“ nach Stichworten ordnete. Kleine Formate klebte er auf DIN A4-Blätter, die er in Ordnern abheftete.

Sein erarbeitetes Wissen wollte er auch anderen Interessierten zugänglich machen. So entstanden weitere Bücher, er schrieb Artikel für die AZ, die Beilage „Heimat am Mittelrhein“ und das Heimatjahrbuch des Kreises. Eine Publikation reihte sich an die andere. Und so wurde er im vorgerückten Alter doch noch zum Verleger. In den „Binger Annalen“ veröffentlichte er nicht nur seine Forschungen, sondern auch interessante Beiträge von Gastautoren. In den Illustrationen kam sein zeichnerisches Talent zum Einsatz. Weiterhin komponierte er „einige Dutzend frischer und melodienreicher Lieder, zu denen er meist auch den Text schrieb“, lässt uns die AZ zu seinem 75. Geburtstag wissen.

Mit anderen Geschichtsinteressierten gründete Engelhardt die Historische Gesellschaft Bingen, die heute der Förderverein des Stadtarchivs ist.

Seinen Arbeitstag hatte er konsequent eingeteilt. Ab 8 Uhr saß er vier Stunden an seinem Schreibtisch. Er las Fachliteratur, studierte Archivalien, korrespondierte und telefonierte mit Historikern, sprach mit Zeitzeugen, sammelte und archivierte Dokumente, Zeitungsausschnitte und Bildmaterial. Und er schrieb seine Publikationen - alles mit der Hand.

Nach der Mittagspause folgte ein einstündiger Spaziergang. Die Kamera war immer dabei. Von 17 bis 20 Uhr saß er wieder am Schreibtisch. Außer sonntags. Dann verbrachte er viel Zeit in der Dunkelkammer, um seine Fotos zu entwickeln, Abzüge zu machen oder Vergrößerungen anzufertigen.

Für seine Verdienste wurde er 1974 zum Ehrenbürger unserer Stadt ernannt. In Vertretung von Oberbürgermeister Dr. Gebauer formulierte Bürgermeister Naujack in seiner Rede „ich glaube, dass Sie für die Binger Bürgerschaft ein exemplarisches Beispiel für Heimatliebe und Heimatverbundenheit darstellen. Für die Stadt Bingen möchte ich Ihnen daher von ganzem Herzen Dank und Anerkennung aussprechen“. Diesem Dank schließen wir uns 50 Jahre später gerne an.

Nach seinem Tod am 11. Dezember 1990 im gesegneten Alter von 96 Jahren übergab seine Familie die Sammlung der Stadt. Seit der Einrichtung des Stadtarchivs ist der „Nachlass Engelhardt“ ein sehr wichtiger Teil der stadtgeschichtlichen Sammlung und immer wieder ein Fundus für das wöchentliches Archiv-Dings unserer Reihe ArchivDingsTag.

ArchivDingsTag, 13. August 2024