Haus Heidenthal
Eines der schönsten Häuser von Bingen steht am Freidhof 3. Dass wir uns immer noch daran erfreuen können, liegt wahrscheinlich auch daran, dass es bereits 1910 mit zwei weiteren Gebäuden unter Denkmalschutz gestellt wurde. Im Verzeichnis der Kulturdenkmäler Rheinland-Pfalz wird es als „Sog. Heidenthal'sches Haus, dreigeschossiger spätbarocker Putzbau, Zopfstilmotive, 1780/90, Aufstockung und Mansarddach 1863/70“ geführt. Die erwähnten Veränderungen in 1863/70 zeigen die beiden Fotos im Vergleich.
In einem amtlichen Kaufbrief vom 1. Juni 1790 heißt es „Kund zu wissen seye es hiermit […] aus dem hiesigen Bürger und Layendeckermeister Clemens Beckers Conenstraße der hiesige Bürger und Maurermeister Peter Heidenthal an sich ersteigert habe ein Wohnhaus auf dem Freyhof […]“. Ob Heidenthal 1790 ein neu erbautes Haus erworben hat, oder dieses nach dem Kauf erst neu errichtet hat, müsste noch erforscht werden.
Sein Sohn Peter Joseph Heidenthal (I.) wurde Uhrmacher. Von den vielen Kindern aus seinen beiden Ehen überlebten nur zwei Söhne und eine Tochter. Der Älteste, Peter Joseph Heidenthal (II.), war Kunstschreiner, wie auch dessen Sohn Johann Baptist Heidenthal (II.), Spitzname Schambes, der im Haus auch ein Sarglager unterhielt und dieses an seine Tochter Elisabeth Braden (*1890, geb. Heidenthal) vererbte. Jene gestaltete die Werkstatträume zu einer Gaststätte um.
1944/45 wurde das Gebäude durch Bomben so stark beschädigt, dass nur noch die Fassade zu verwerten gewesen sei, heißt es in den Notizen. Es wurde von Maria und August Braden als „Haus Braden“ wieder auf- und gleichzeitig ausgebaut. 1950 konnten erste Zimmer an Studenten vermietet werden, 1955 wurde daraus eine „Fremdenpension“. 1960 wurde durch die Hinzunahme der Privaträume eine „Etagengaststätte“ eingerichtet und nach einem weiteren, großzügigen Umbau firmierte es schließlich ab 1965 als Hotel-Restaurant „Haus Braden“. Inzwischen wurde es von Marta Braden und ihrer Familie geführt. Nach ihrem Rückzug war die Gaststätte kurzzeitig als „Suppen-Haus“ und danach als „Pizzeria bei Giorgio“ verpachtet, bevor es von den heutigen Besitzern gekauft und liebevoll als Wohnhaus restauriert wurde. Die historische Haustür ist ein wahres Schmuckstück.
Die berühmteste Person der Familie war Peter Joseph Heidenthal (II., *25.1.1818). Seine besondere Liebe galt der heimatlichen Geschichte und so sammelte er Hinweise aus alten Schriften, sowie mündliche Überlieferungen und ergänzte damit die „Annales Bingensis“ von Johannes Scholl (1613), überarbeitet von Eduard Sander (1853). Ab 1880 veröffentlichte Heidenthal alle 14 Tage im „Binger Anzeiger“ des Pennrich-Verlags seine Erkenntnisse als Sammelblätter. Da das angedachte Sammeln bei den Lesern aber nicht erfolgreich funktionierte, erschien 1886 das gebundene Werk „Chronik der Stadt Bingen und Umgebung“.
Das 445-seitige Buch „Chronik der Stadt Bingen und Umgebung“ ist ein wichtiges Nachschlagewerk der Heimatforschung. Allerdings entsprechen einige der von Heidenthal gezogenen Annahmen noch dem Blickwinkel der damaligen Zeit und wurden zwischenzeitlich von den Erkenntnissen aktueller Forschungen überholt.
ArchivDingsTag, 28. Mai 2024