Firma Brüning
„Wieder wie früher“ lautet der Untertitel eines AZ-Artikels vor 75 Jahren am 28. Oktober 1949.
„So kann in diesen Tagen das bekannte Kaufhaus Brüning Nachfolger wieder in den Parterreräumen seine Pforten öffnen. Durch anderweitige Nutzung waren die Geschäftsräume belegt, so daß das im Besitz der Familien Neymeyr-Schlösser befindliche Unternehmen gezwungen war, in Notunterkünften seinen Betrieb aufrecht zu erhalten. Trotz größter Schwierigkeiten und Anstrengungen und Einschränkungen räumlicher Art gelang es dem Kaufhaus, die schwere Zeit zu überbrücken. […] Umso größer wird die Freude sein […] wenn nunmehr die alten Geschäftsräume in neuem Gewande wieder entstanden sind.“
Vorausgegangen war „die schlimme Zeit“, wie sie oft von den Binger Zeitzeugen im Rückblick bezeichnet wird. Es gab kaum ein Haus, das ohne Bombenschäden davongekommen war. Ganze Straßenzüge waren komplett zerstört. Einige weniger betroffene Gebäude wurden 1945 von den Besatzungskräften für eigene Zwecke belegt.
So ist in einem Vermerk zu lesen „Nach dem Krieg wurde die Firma Brüning Nachf. von der französischen Militärregierung beschlagnahmt und zu einem Kooperativ umgewandelt. 1949 konnte es wieder von den alten Besitzern übernommen werden“.
Begonnen hatte es 1906, als Franz Brüning in gemieteten Räumen der Schmittstraße 8 sein Geschäft eröffnete. 1914 kam der gebürtige Hannoveraner Adolf Neymeyr über Frankfurt nach Bingen und übernahm den Betrieb, in dem Matratzen, Bettwäsche/Bettfedern, Meter- und Strickwaren sowie Damen- und Herrenwäsche geführt wurden.
1933/1934 wurde das Eckhaus Schmittstraße/Speisemarkt gekauft, in dem bis dahin das jüdische Modehaus Marx seine Verkaufsräume hatte und das Sortiment vergrößert. Von Adolf Neymeyr ist bekannt, dass er jeden Kunden persönlich zur Tür begleitete und mit einem freundlichen „beehren Sie uns bald wieder“ verabschiedete.
Seine Tochter Margit heiratete 1935 Willy Schlösser. Sie erwarben 1956 die an beiden Seiten angrenzenden Häuser in der Schmittstraße 1 (damals Juwelier Schweers) und Speisemarkt (damals Uhren Becker) und damit das Eckhaus vergrößerten.
An beide werden sich ältere Binger sicher noch erinnern wie auch an Sohn Jürgen, der seit 1973 im Betrieb war und ihn 1991 geschäftsführend übernahm. Inzwischen war das Sortiment auch um eine Damen- und Kinderkonfektion erweitert worden. Der Verkauf fand auf zwei Etagen statt.
Das Haus Brüning war eine bekannte Größe mit einem weiten Einzugsgebiet auch in den Rheingau hinein. Mit seiner Bettenabteilung und der Bettfedernreinigung mit Hol- und Bringdienst hatte es zusätzlich eine gewisse Alleinstellung in der Region.
Vielleicht kann hier jemand zur Komplettierung der Archivalien kommentieren wann (wahrscheinlich) in den 1950er Jahren die Geschäftsräume im 1. Stock wieder zur Verfügung standen, wann das Haus Brüning geschlossen wurde (evtl. 2012?) und wo in der Nachkriegszeit der Notverkauf stattfand? (stadtarchiv@bingen.de)
ArchivDingsTag, 22. Oktober 2024