Die Nikolauskapelle
Der Nikolaustag am 6. Dezember ist nicht nur im Binger Jahreskreis ein bekanntes Datum. Zum einen, weil der heilige Mann traditionell am Vorabend Süßigkeiten wie Lebkuchen, Schokolade, Nüsse und Äpfel bringt. Zum anderen ist Nikolaus auch der Schutzpatron der Schiffer, die ihn an seinem Namenstag mit Schiffsprozessionen und Wallfahrten besonders ehren. Auch Lotsen, Flößer und alle die in und mit der Schifffahrt ihren Lebensunterhalt verdienten, bitten um seinen Schutz.
Früher waren die Gaben bei den Kindern auch deshalb so begehrt, weil sie in der Adventszeit, auch „kleine Fastenzeit“ (Adventsfasten) genannt, in der die Genüsse zumindest eingeschränkt werden sollten, die vom Nikolaus gebrachten Gaben man aber ganz legal und ohne Ermahnung „schnuckeln“ durften. Allerdings schaute man dem Tag auch mit mehr oder weniger bangem Blick entgegen, denn meistens wurde Nikolaus von Knecht Ruprecht begleitet, der die in dem „Himmelsbuch“ notierten und vom Nikolaus mahnend vorgelesenen Missetaten nicht nur mit seiner Rute ahndete, sondern dabei auch allerlei angsteinflößende Töne von sich gab.
Durch die exponierte Lage von Bingen an der risikoreichen Binger Loch-Passage war die Gefahr zum Ausbau der Fahrrinne ganz besonders präsent. Und so errichtete die Zunft (eine Vereinigung von Handwerkern oder Kaufleuten einer Berufsgruppe) der Schiffer mit Blick auf das Binger Loch eine Kapelle. Hier konnten Schiffer und Reisende vor der gefährlichen Passage um Beistand bitten oder nach gelungener Fahrt danken.
Die Rupertsberger Nikolauskapelle stand auf der linken Seite unweit der Nahemündung, die vor der Uferbefestigung bereits ein gutes landeinwärts begann. Der rundbogige Eingang befand sich am westlichen Ende der Nordwand. Der Dachreiter war gerade groß genug, um eine kleine Glocke aufzunehmen, die mit einem Seil gezogen werden konnte. Die Nikolauskapelle ist nicht identisch mit jenem kapellenartigen Vorbau, der auf historischen Zeichnungen des Klosters Rupertsberg an der Nordostecke der Ringmauer zu erkennen ist. Sie war daher auch nicht von den Sprengungen für die Bahnlinie betroffen.
Erbaut 1374 wurde die Nikolauskapelle später erweitert. 1689 wurde sie im neunjährigen Krieg (Pfälzer Erbfolgekrieg) zerstört und blieb als Ruine bis in die Franzosenzeit (siehe Archiv-Dings 19.11.2024) erhalten.
Mit der Anwendung der französischen Gesetzgebung zur Säkularisierung von Kirchenbesitz wurde 1803 nicht nur das Areal des Kloster Rupertsberg, sondern auch das umliegende Gelände mit der Nikolauskapelle versteigert. Barbara Straub, die Enkelin des neuen Eigentümers Jean Kirchner, verkaufte sie 1828 an Anton Brilmayer. Der baute es als Wohnung mit darunterliegendem Keller um. Seine Tochter heiratete Hofrat Christoph Joseph Hoeffler aus Koblenz, der das Erbe zu einem villenartigen Sommerhaus umbaute und dort unter anderem seinen Studienfreund und späteren Reichskanzler Otto von Bismarck zu Besuch hatte, wenn man in den 1850er Jahren gemeinsam im Hunsrück zur Jagd ging.
Mit dem Bau der Eisenbahn ging das Anwesen in den Besitz der Bahn über und wurde bis zum Abriss 1958 als Unterkunft für Bahnpersonal genutzt.
Übrigens gab es früher auch noch eine zweite Nikolaus-Kapelle, die in der Nikolausgasse der Binger Innenstadt stand.
ArchivDingsTag, 3. Dezember 2024