Die Mainzer Straße in den 1880er Jahren

Das Foto zeigt die Mainzer Straße um 1885. Wer genau hinsieht, kann nahe dem Dachfirst der evangelischen Kirche schemenhaft die zweite Rochuskapelle erkennen, die 1889 durch einen Blitzschlag abbrannte.

Fotograf war Johann Baptist Hilsdorf, der den Fastnachtsumzug jenes Jahres ablichtete. Das Bild mit der schneebedeckten „Chaussee“ ist vom Balkon des damaligen Hauses von Carl (III.) Puricelli (heute Seniorenstift St. Martin) mit Blickrichtung evangelische Kirche/Rochuskapelle aufgenommen. Noch ist die Häuserreihe nicht geschlossen.

Nach der Niederlegung der Stadtmauer entwickelte sich die Bebauung in alle Richtungen. So auch in östlicher Richtung vom Draistor aus entlang der historischen Überlandstraße nach Mainz.  Ab ca. 1850/1860 ließen sich in der Mainzer Straße vor allem Weinhändler und Weingutsbesitzer nieder. Ein Geschäftsanwesen bestand damals meistens aus einem großzügig bemessenen Wohnhaus und einem dahinter liegenden Kelterhaus bzw. „Oeconomiebau“. Ausgedehnte Keller boten Platz für viele Fässer zur Lagerung großer Mengen Wein.

Im Erdgeschoss des Wohnhauses befand sich das „Comptoir“ (Kontor, Büro), darüber im ersten Stock die „Bel Etage“ mit den in der Regel repräsentativ gestalteten Wohnräumen. Das Wohnzimmer war oft mit einem Balkon oder vorspringenden Erker geschmückt. Soweit erhalten, lassen die reichen Ausstattungsvarianten des Historismus noch heute erkennen, wie lukrativ der Weinbau damals auch für mittlere und kleinere Betriebe gewesen sein muss.