Der verschwundene Brückenheilige
Wie auf vielen anderen Brücken in Europa stand auch auf der Drususbrücke eine Statue des Hl. Nepomuk. Aufgestellt wurde sie wahrscheinlich 1797. Auf der Frontseite ihres steinernen Sockels befand sich folgender Text:
BETRACHT DIS
BILT UND DENKE AN
DAS ES NUR EINE VOR-
STELLUNG SEY
ER IST EIN FÜRBITTER BEI GOTT
DER IN ANRUFT IN ARGER
NOTH
1779
Die Inschrift überliefert uns Heimatforscher Pfarrer Franz Como im Katholischen Kirchenkalender 1940 und bezieht sich dabei auf einen Artikel in der Mittelrheinischen Volkszeitung von A. Brück 1935. „Auf diesem Sockel stand vor Jahrzehnten das barocke Steinbild des bekannten Brückenheiligen Johannes von Nepomuk, das heute im hinteren Hof des Hl.-Geist-Hospitals eine verborgene Unterkunft hat.“
Aufklärung über den Standortwechsel gibt es in der Mittelrheinischen Volkszeitung vom 2.9.1926 mit Bezug auf einen Artikel des Binger Volksboten vom 18.9.1849 über einen Freispruch von drei „Revolutionären“ der Revolutionszeit 1848/49 aus Bingen und Büdesheim, die die Statue des Hl. Laurentius auf der Brücke heruntergerissen haben sollen. Warum ein Freispruch erfolgte, ist nicht notiert. Hier, so Como, handele es sich wohl um eine Namensverwechslung mit der Nepomuk-Statue. Wegen jener unruhigen Zeit und einer offensichtlichen Gefährdung aller Statuen habe man sie damals gesichert und sich später leider nicht mehr die Mühe gemacht, sie wieder aufzustellen.
Aufgrund einer Notiz, die auf einem Zeitzeugen beruht, scheint sicher, dass es ca. 1920 noch einen Sockel auf der Drususbrücke gab (siehe unteres Foto). Auf der Bingen zugewandten östlichen Seite sei ein G.H. für Großherzogtum Hessen eingemeißelt gewesen und auf der Seite zu Bingerbrück hin ein K.P. für Königreich Preußen. Der Sockel war ab 1816 auch gleichzeitig Grenzstein. Denn nach der Neuordnung Deutschlands verlor Bingen seine Gebiete links der Nahe. Die Grenze zwischen dem nun preußischen linken Naheufer mit Rupertsberg/Bingerbrück und dem Großherzogtum Hessen mit Bingen, verlief mitten in der Nahe. Der Sockel soll noch bis zu den Bombentreffern 1944/45 vorhanden gewesen sein.
Und noch einmal findet sich zum leeren Nepomuk-Sockel ein Hinweis. „Allsdann wäre es sehr erwünscht, wenn an dem aufzurichtenden Grenzsteine eine Laterne angebracht würde. – Der Verkehr auf der alten Nahebrücke ist sowohl im Winter als auch im Sommer, bei Tag und Nacht ein sehr lebhafter, sowohl von Fuhrwerken als auch Personen […]. So könne „vielleicht unabsehbarem Unglück vorgebeugt werden“.
Über den Verbleib der Nepomuk-Statue ist nichts bekannt. Möglicherweise wurde sie bei den Bombentreffern auf das Heilig-Geist-Hospital zerstört oder auch an einen bisher unbekannten Ort gebracht. Leider ist keine Abbildung archiviert. Eine der wenigen optischen Hinweise finden wir auf einem Kupferstich von Georg Josef Cöntgen von 1784. Das obere Foto zeigt einen Ausschnitt mit der Drususbrücke und Brückenfigur.
Sollte jemand etwas über den Verbleib der Nepomuk-Figur wissen oder über eine Abbildung verfügen, würden wir uns über einen Kommentar bzw. direkte Nachricht an das Stadtarchiv freuen.
ArchivDingsTag, 12. November 2024