Der Rupertsberg nach den napoleonischen Kriegen

Dass sich nach der Zerstörung so lange nichts auf dem Rupertsberg veränderte, lag sicher nicht nur an der „geweihten Stätte“. Diverse Kriegsgeschehen, Pest, Cholera, Typhus und anderes haben Bingen auch nach Ende des 30-jährigen Krieges arg zugesetzt. Ganze Dörfer waren von der Landkarte verschwunden.

Rechnungsformular Hotel Rupertsberg, ca. 1860, mit einer in der Perspektive verzerrten Darstellung von Gebäude und Rhein-Nach-Eck, Zeichnung anonymErst nachdem der Wiener Kongress 1816/17 die zukünftigen Herren der deutschen Gebiete festlegte, konnte sich die Region langsam erholen. Das „Binger Land“ war nun geteilt. Bingen, rechts der Nahe gehörte zum Großherzogtum Hessen. Herr auf der linken Seite war das Königreich Preußen. Die Nahe war Landes- und Zollgrenze.

In der Säkularisierung der kirchlichen Güter durch Napoleon hatte Jean Kirchner, bisher Pächter des Geländes, das Gelände ersteigert. Teile der Klosterruine Rupertsberg wurden als Ökonomiegebäude genutzt. Südlich im rechten Winkel zur Ruine gab es ein Wohnhaus. Das verkaufte Kirchner 1819 an den neuen Landesherrn Preußen, der es als Bedienstetenhaus nutzen.

Rupertsberg 1894Kirchner zog in das sogenannte kleine Haus mitten in den Ruinen. Es wurde mehrfach erweitert und bot auch Platz für die Familie seiner Tochter Anna Maria, die Franz-Josef Herter, einen Veteran der napoleonischen Kriege geheiratet hatte. Beim väterlichen Tod erbte sie das Haus und einen Teil der Weinberge. Franz-Josef Herter soll keine Freude an der Landwirtschaft gehabt haben. Er kümmerte sich lieber als Wirt um den Gutsausschank und die Posthalterei.

1837 kam der wahrscheinlich verwandte Johann-Franz Herter als wandernder Küfergeselle zum Rupertsberg. Er brachte Weinbau und Landwirtschaft auf Vordermann und heiratete 1846 Margarete Straub, eine Enkelin Jean Kirchners von seiner zweiten Tochter. Sie war Erbin der kinderlosen Ehe von Franz-Josef Herter.

Johann-Franz Herter kaufte weitere Weinberge hinzu und vergrößerte 1851 die Keller. Als 1857 ein Teil von Haus und Keller dem Eisenbahnbau weichen musste, ließ er Neu- und Erweiterungsbauten in nördlicher Richtung vornehmen. Es entstanden eine Küferwerkstatt, ein Gärraum für Rotwein und neue Pferdeställe. Um 1860/1870 war das Haus für einige Zeit auch ein Hotel. 1888 wurde ein Kniestock aufgesetzt.

Rupertsberg, 2023Johann-Franz Herter war nicht nur ein guter Geschäftsmann. Er engagierte sich auch in der Politik und wurde 1893 der erste Bürgermeister von Bingerbrück, wie die Siedlung Rupertsberg auf preußische Anordnung, gegen den Willen der Bevölkerung, von nun an heißen musste, abgeleitet von der Bahnstation „Binger Brücke.“

1920 baute ein Enkel das Haus im klassizistischen Stil um und errichtete weitere Gebäude. Alle Nebengebäude wurden im 2. Weltkrieg zerstört, das große Wohnhaus aber hatte nur wenige Schäden. 1959 verkaufte der letzte Namenträger Herter den Rupertsberg an die Winzergenossenschaft Untere Nahe.

1975 zerstörte ein Brand das Haus bis auf die Grundmauern. Der Wiederaufbau wurde 1976 gefeiert. Für viele Jahrzehnte war es der Firmensitz der Büro-Organisationsfirma von Franz-Josef Würth.