Der 10. Dezember 1944 - Ein Zeitzeugenbericht
Heute vor 80 Jahren war Bingen in Angst und Schrecken und am Ende des 10. Dezember 1944 musste man 22 Tote beklagen, die Opfer des Bombenangriffs geworden waren. Der spätere Heimatforscher Hans Hammer hat uns einen Erlebnisbericht hinterlassen.
Am 10. Dezember 1944 wurde gegen 10 Uhr Fliegeralarm ausgelöst. 173 B-24 Liberators hatten 618 Tonnen Sprengbomben und 57 Stabbrandbomben an Bord, um sie über dem Rhein-Nahe-Eck abzuwerfen.
Während seine Frau mit den Kindern den Keller aufsuchen wollte, entschied er, erst einmal in der Wohnung zu bleiben. Er war in der Annahme, dass die Bomber Richtung Mainz/Frankfurt vorbeiziehen und Bingen „nicht noch einmal so schwer heimsuchen würden“, notierte er. „Ein paar Minuten später wurde ich eines anderen belehrt. Als die ersten Einschläge zu hören waren, nahm ich meine Töchter von 2 und 4 Jahren unter die Arme und eilte in den Keller“.
Dann schildert er, wie die Erde unter den Bombeneinschlägen bebte und der Putz von der Kellerdecke fiel. Das Haus wurde nicht direkt getroffen, aber es gab einiges auszubessern.
„Beim Reparieren des beschädigten Küchenfensters fiel mein Blick auf die naheliegende Basilika. Dort begannen bereits die Flammen aus dem Dach des Hauptschiffes emporzulodern. Das gab mir, der ich doch nach vier Jahren Kriegserlebnisse in Ost und West so manches erlebt und gesehen hatte, den Rest. Hilflos musste ich den Untergang des Gotteshauses mit ansehen“.
„Am 22.12.1944 musste ich wieder zur Truppe zurück. Auf dem Weg zum Bahnhof Bingerbrück in Höhe der Drususbrücke wurde ich wieder von einem Luftangriff überrascht. Eilends suchte ich den naheliegenden Felsenkeller der Sektkellerei Scharlachberg [Anmerkung: Gaustraße 57-59] auf. Beim Verlassen des Luftschutzkellers war zu erfahren, dass der Bingerbrücker Bahnhof so schwer getroffen wurde, dass erst am nächsten Tag wieder mit der Abfahrt eines Zuges gerechnet werden konnte“, schreibt Hans Hammer.
Rückblickend notiert Hans Hammer, dann Bingen bis Mitte Oktober 1944 war Bingen von Bombenangriffen verschont geblieben. Zwar gab es immer wieder Fliegeralarm, aber die Bomberstaffeln zogen vorbei, denn ihre Ziele waren Städte östlich von Bingen, Schiffe auf dem Rhein oder die Hindenburgbrücke.
Doch dann rückte der Eisenbahn-Knotenpunkt Bingerbrück immer stärker ins Visier der Alliierten.
Der erste gezielte Angriff erfolgte am 25. November 1944 mit großen Schäden in Bingerbrück. Doch die Bombenschleppe traf auch den ältesten Teil von Bingen, die Grub, auch Gruber Dörfchen genannt. Im Keller des Stefan-George-Hauses kamen 70 Menschen ums Leben. Das Krankenhaus erhielt 3 Volltreffer mit 47 Toten und konnte nicht mehr genutzt werden. Auch die Burg Klopp, das E-Werk, das Rathaus, das Gaswerk, das Hallgarten-Haus und viele weitere Gebäude wurden getroffen. Es gab 150 Tote und 135 Verletzte. Ein weiterer großer Angriff fand zwischen den Jahren am 29. Dezember 1944 mit enormen Schäden und Todesopfern statt.
Auf Bingen/Bingerbrück gab es insgesamt 24 Luftangriffen. Bei 18 Angriffen von diesen Angriffen sind 282 Menschen umgekommen. 98% der Innenstadt-Häuser wurden beschädigt – davon 39% komplett oder stark zerstört. Dass trotzdem nicht noch mehr Todesopfer zu beklagen waren, führt Hans Hammer auf die große Anzahl tiefer Weinkeller zurück. Die Keller der Brauereien in der Amtsstraße [Felsenkeller] und Hasengasse [Apostelhof] boten einen guten Schutz. Wer ganz sicher gehen wollte, suchte die in den Berg getriebenen öffentlichen Felsenkeller-Luftschutzbunker unter dem Kloppberg oder der Sektkellerei Scharlachberg auf.
Die Zahl der Fliegeralarme nahm immer mehr zu, so dass ab Ende November 1944 bis zum Einmarsch der Alliierten am 18.3.1945 die Bürger kaum aus den Schutzkellern kamen. „Es war eine Zeit des Elends, Jammerns und Schreckens, des Bangens und Hoffens. Wer dies alles miterlebte, wird es seines Lebens lang nicht vergessen können.
ArchivDingsTag, 10. Dezember 2024