Bingen, einst Sehnsuchtsort von Richard Wagner

1861 kam der bereits damals weitgereiste Richard Wagner zu geschäftlichen Verhandlungen nach Mainz. Im Auftrag des Musikverlegers Franz Schott begann er mit der Arbeit an „Die Meistersinger von Nürnberg“. Im Februar 1862 zog er in ein neu errichtetes „Sommerhaus“ am Biebricher Rheinufer, wo er den Sommer über wohnte.  

Richard Wagner in den 1860er Jahren. Lizenz: gemeinfreiIn jenem Frühjahr 1862 reiste er mit den beiden Freunden Schüler und Städel zu einem Tagesbesuch nach Bingen. Im Boom der Rheinromantik war unsere Stadt zu einem beliebten Anziehungspunkt für Besucher aus dem In- und Ausland geworden und der 1854 wieder aufgebaute Turm der Burg Klopp eine vielbesuchte Touristenattraktion.

Wagner war bei seiner Besichtigung derart begeistert und schockverliebt, dass er glaubte, im vierten Stock des quadratischen Burgturms eine für „alle Zeiten herrliche Wohnung“ für sich gefunden zu haben. Flugs begann er mit der Planung der Ausstattung. „Wohnräume“ wollte er „durch Vorhänge hineinkonstruieren“. Seine Begleiter kannten den damaligen Besitzer, den Kaufmann Ludwig Maria Cron, der sich in den Verhandlungen tatsächlich bereit erklärte, für eine relativ unbedeutende Summe an Richard Wagner zu vermieten.

Die Umsetzung scheiterte dann letztendlich daran, dass Trinkwasser nur als „schlechtes Wasser aus einer in furchtbarer Tiefe gelegenen Zisterne des Burgverließes“ zur Verfügung stand. Auch befürchtete man, dass man im prosperierenden Bingen schwerlich Personal für die abseits gelegene „Behausung“ finden würde, welches die Versorgung und Bedienung Wagners übernehmen würde. Wenige Monate später, im Juli 1862, war er zu einem erneuten Besuch in Bingen und zeigte den mitgereisten Hans von Bülow und Ludwig Schnorr von Carolsfeld seinen Wunschort.

Bingen zur Zeit Wagners, 1861. Stereografie-Foto vom 13.08.1861 von J.B. Hilsdorf.Ein Jahr später war die Erfüllung greifbar nahe. 1863 schrieb er von einer Konzertreise in zwei Briefen an Mathilde Maier (eine Freundin, die er in Mainz im Hause Schott kennengelernt hatte, Tochter eines Alzeyer Notars,) von seinem immer noch bestehenden Traum, in Bingen ansässig zu werden. Seine „Unruhezeiten“ wolle er durch den „dauernden Genuß eines Lebens- und Arbeitsasyls“ kompensieren. „Wie wäre er glücklich, wenn er so etwas auf Lebenszeit zu miethen fände“.

So hatte er auch sofort zugesagt, als ihm 1863 in Bingen ein „Rosenhäuschen“ angeboten wurde, das nach Schilderung der Besitzerin genau seinen Wünschen entsprach. Ihre Forderung belief sich auf eine Barzahlung von 3600 Mark. Geld, welches der chronisch unter Geldmangel leidende Wagner allerdings nicht zur Verfügung hatte. 

Damit in Zusammenhang steht wohl eine von der Großfürstin Helene von Russland überlieferte Erzählung einer Begegnung mit Wagner am Rande eines Konzerts in St. Petersburg (vermutlich 1863). Wahrscheinlich war es jene Großfürstin gleichen Namens, die einst im neu errichteten Binger Badhaus zur Wasserkur war und Bingen daher kannte.

Hotel „Weißes Roß“, Vorstadt 40-42. Zur Zeit des Besuchs von Wagner lag das Hotel noch direkt am Rhein. Die Uferaufschüttungen für die Hindenburganlage erfolgten erst später.Wagner schwärmte ihr vor, wie gerne er ein Landhaus am Rhein besitzen würde. Die Großfürstin hat laut ihren Worten höflich geantwortet „Dazu kann ja wohl noch Rat werden …“. Wagner legte diese Antwort augenscheinlich etwas zu großzügig aus. Jedenfalls telegrafierte er noch während seiner Rückreise der Großfürstin „untertänigsten Dank für das großherzige Geschenk eines Landhauses am Rhein“. Diese habe das Telegramm allerdings mit Humor gelesen und sei nicht darauf eingegangen.

Noch im gleichen Jahr kam Wagner mit seiner späteren Frau Cosima zusammen. Am 4. Mai 1964 wurde er schließlich vom bayrischen König Ludwig II. empfangen, der zu seinem Mäzen wurde und Wagner nach Bayern holte.

Noch ein weiteres Mal kam Wagner nach Bingen. Im Sommer 1877, sechs Jahr vor seinem Tod, weilte Wagner zu einem Kuraufenthalt in Bad Ems und unternahm mit Freunden eine Rheinfahrt. Für die Mittagspause habe er Bingen ausgewählt „weil ihn einige unerfüllte Sehnsüchte mit dem anmutigen Städtchen verbunden hätten“, schreibt der Binger Chronist Friedrich Engelhardt in seinem Aufsatz (1980).