Das Winzerfest 1928
„Dieser Winzerfestzug steht im Dienste der Fremdenwerbung“
So beginnt der kurze Artikel von Valentin Schaefer. Er war Mitglied im Verkehrsverein und Binger Polizist. Achtzehn Jahre später wird wird er 1946 die Winzerfest-Tradition wieder anstoßen, dann in seiner Funktion als Binger Bürgermeister.
Eine Win-Win-Situation für Bingen
Die Binger Rhein- und Nahe-Zeitung veröffentlichte am 27.10.1928 den Artikel Schaefers und berichtet von den kurzfristigen Planungen des Binger Verkehrsvereins: Bereits einen Tag später, am 28. Oktober 1928, gab es einen "Winzertag und Winzerfest in Bingen", organisiert vom Verkehrsverein - so der Titel des Artikels. Hier den Artikel lesen.
Schaefer verdeutlicht in dem Artikel die Ziele der Veranstaltung. Er appelliert an die Ehre, den Weinbau und den Weinhandel zu unterstützen, denn so ließe sich sowohl der Tourismus wie auch die Wirtschaft Bingens stärken. Genutzt wurde dabei die Bekanntheit des bereits etablierten Mantelsonntags als verkaufsoffenen Sonntag, der jährlich viele Menschen aus dem Umland nach Bingen zog (siehe zur Geschichte des Mantelsonntags: Archivalien erzählen Geschichte(n): Der Mantelsonntag - heute und vor 100 Jahren).
Die entscheidenden Unterschiede des modernen Winzerfestes:
- Die Zielrichtung ist touristisch und damit kommerziell
- Es gibt eine gemeinsame Veranstaltung
- Organisator sind nicht die Weingüter
- Es gibt eine zentrale Veranstaltungsorganisation
So formulierte es auch Schaefer in seinem Artikel. Klicken Sie in den nachfolgenden drei Bereichen auf das +, um die Zitate zu sehen.
„Dieser Winzerfestzug steht im Dienste der Fremdenwerbung.“
„Was hier gezeigt wird, soll dem werktätigen Menschen die Möglichkeit bieten, sich ein Bild von er Weinlese zu machen, die in vielen Gemarkungen unserer Gegend von hunderten Menschen ausgeführt wird. [...] Der Festzug soll insbesondere den Beschauer aufrütteln und ihn anspornen, darüber nachzudenken, welche Unsumme an Arbeit unserer Winzer leisten müssen, bis sie die edlen Gewächse des Weinstocks einheimsen und zur Kelterung und Einlagerung bringen können.“
„Ein Winzerzug ist kein Fest, sondern eine Ausstellung mit sozialem und wirtschaftlichem Hintergrund, die zu sehen unser aller Pflicht sein muß. [...] Denn mit unserer Anwesenheit beim Winzerzug ehren wir auch unsere Winzer, die bei Wind und Wetter ihre schwere, mühevolle Arbeit leisten, an der sich Frauen und Kinder, ebenso wie die Männer unserer Gegend beteiligen.“
Ablauf des Winzertages 1928
Gemessen am heutigen Angebot war das gebotene Programm spärlich. Und doch war es eine Attraktion, die sehr viele Menschen an diesem Tag nach Bingen führte:
Nach dem Gottesdienst spielte die Stadtkapelle aus Murrhardt bei Stuttgart zum Platzkonzert auf dem Rathausplatz auf. Dabei wurden 2000 Liter kostenloser Wein ("Freiwein") ausgeschenkt. Anschließend konnte man weiteren Wein käuflich erwerben. Am frühen Nachmittag folgte ein traditioneller Winzerzug, dem sich alle anschließen konnten. Er endete an der Festhalle (heute: Palais Bingen), wo der Tag vom frühen bis späten Abend mit Tanz endete.
Ein kommerzielles Winzerfest? Nichts Neues.
Die Idee des Binger Verkehrsvereins war nicht neu. In Deutschland gab es bereits mehrere Städte in Weinbauregionen, die in den 1920er Jahren ein Winzerfest veranstalteten, das nicht von den Weingütern, sondern der Stadt oder einem Verein organisiert wurde und eine touristische und kommerzielle Zielrichtung hatte. Nun sollten auch möglichst viele Menschen aus Bingen und dem Umland an diesem Tag in Bingen beim Wein feiern und so den Weingütern, aber auch den Binger Geschäftsleuten einen guten Umsatz bescheren.
Auch in Bad Kreuznach fand übrigens an jenem 28.10.1928 ein Winzerfest statt. Dort wurde es vom Detaillisten-Verein als Teil der zweiwöchigen Werbewochen geplant.
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