Der Rhein – Schicksalsstrom und Lebensraum
Erforschen Sie die Entwicklung der bedeutendsten Binnenwasserstraße Europas. Beobachten Sie einige der typischen Bewohner des Flusses im Rheinaquarium. Erfahren Sie mehr über heimische und neue Fischarten in Rhein und Nahe.
Schicksalsstrom und Lebensraum
Der Rhein besitzt eine besondere Bedeutung für die Menschen. Nach Wolga und Donau ist er der längste und wasserreichste Fluss Europas. Er ist Lebensader und Schicksalsstrom. Unzählige Sagen und Mythen ranken sich um den großen Fluss.
Ursprünglich war der Rhein im Oberlauf ein stark mäandrierendes und in eine Vielzahl von Einzelarmen aufgeteiltes Gewässer. An den Ufern gab es große Auen und Überflutungsräume. Der Rhein war reich an Fischen.
1817 bis 1876 wurde der Fluss durch den Ingenieur Johann Gottfried Tulla und seine Nachfolger ausgebaut. Im 20. Jahrhundert wurde die Rheinkorrektur konsequent weitergeführt. Der Rhein wurde begradigt, sein Lauf verkürzt, Altwässer vom Strom abgetrennt, die Strömung auf die technisch ausgebaute Wasserstraße konzentriert. Daneben verschlechterte sich aufgrund zunehmender Industrialisierung und erhöhter Bevölkerungsdichte die Wasserqualität kontinuierlich.
Um 1970 war ein Tiefpunkt erreicht, ganze Flussabschnitte verödeten. Nach dem Großbrand im Chemieunternehmen Sandoz 1986 vereinbarten die Rheinanliegerstaaten ein ehrgeiziges Sanierungsziel. Als Ergebnis weist der Rhein heute in weiten Teilen wieder eine gute Wasserqualität auf. Auch die Struktur des Flusssystems ist auf dem Weg der Besserung.
Vielfalt ist Leben
Natürliche Flussufer sind in stetigem Wandel. Nach jedem Hochwasser verlagern sich die Ufer. Schlamm, Sand und Kies werden abgespült und an anderer Stelle wieder angelagert. Zahllose Tiere und Pflanzen finden in diesem dynamischen Nebeneinander geeignete Lebensräume.
Bei Niedrigwasser trocken fallende Flächen werden von kurzlebigen Arten wie Kleinem Flohkraut und Rotem Gänsefuß besiedelt. Diese nutzen die Zeit zwischen zwei Überschwemmungen, um einen ganzen Lebenszyklus von der Samenkeimung bis zur Samenreife zu durcheilen. Ausgetrocknete Kiesbetten dienen auch dem Flussregenpfeifer für Brut und Jungenaufzucht. Etwas länger trocken liegende Uferbereiche werden von Flutrasen aus Kriechendem Straußgras und Österreichischer Sumpfkresse eingenommen. Hier wächst auch der seltene Ufer-Alant.
Zum Schutz der Menschen, ihrer Siedlungen und Äcker vor Hochwasser wurden die Ufer des Rheins im 19. und 20. Jahrhundert nahezu vollständig befestigt. An die Stelle der ursprünglichen Geländeformen traten monotone Uferabschnitte mit gleichartigem Mauerwerk und vorgelagerten Steinschüttungen. Mit der Vielfalt der Ufertypen verschwanden auch viele typische Flussuferbewohner.
Heute versucht man, Uferabschnitte wieder in wertvolle Lebensräume umzuwandeln, ohne die Siedlungen zu gefährden und die Schifffahrt zu beeinträchtigen. Nicht nur Tiere und Pflanzen, auch die Menschen profitieren von der neuen Vielfalt der Rheinufer.
Rückkehr in Raten
Über Jahrhunderte war der Rhein reich an Fischen. 49 verschiedene Arten lebten im Fluss. Der Brotfisch der Fischer war der Salm, wie der Rheinlachs auch genannt wurde. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts zogen Lachse zu Hunderttausenden den Rhein hinauf zu ihren Laichplätzen auf kiesigem Untergrund in den Seitenflüssen
Doch Gewässerausbaumaßnahmen, Begradigungen, Kanalisierungen, Bau von Wehren und Staustufen hatten massive Auswirkungen auf das Wanderverhalten der Wanderfische. Zusätzlich sorgten die Abwässer aus Industrien und Kommunen für eine Verarmung der biologischen Vielfalt. Immer mehr Fische und Kleintiere verschwanden aus dem Rhein und seinen Nebenflüssen. Um 1970 war mit nur noch 23 Fischarten im Fluss ein Tiefpunkt erreicht. Seitdem unternehmen die Anliegerstaaten erfolgreich große Anstrengungen zur Verbesserung der Gewässergüte und ‑struktur.
Im Jahr 2000 wurden im Rhein 63 Fischarten nachgewiesen. Rotauge, Aal und Ukelei sind am häufigsten. Auch aufsteigende Lachse werden wieder in zunehmender Zahl registriert. Zwischenzeitlich fanden weitere Arten wie Zährte und Zobel über Besatzmaßnahmen, Einschleppungen oder durch den 1992 eröffneten Rhein-Main-Donau-Kanal den Weg hierher. So leben heute mehr Fischarten als ursprünglich im Rhein.
Im Netz geborgen
Die Dynamik des Wassers schafft permanent neue Standorte, die es zu besiedeln gilt. Durch den Ausbau des Rheins sind die Uferbereiche, in denen der Fluss ungehindert seine Kraft entfalten kann, jedoch weitgehend verloren gegangen. Mit ihnen sind viele der Tier- und Pflanzenarten, die vom Wechsel des Wasserstands abhängig sind, selten geworden. Die Lebensgemeinschaften der natürlichen Flussufer zählen heute zu den am stärksten bedrohten in unserer Landschaft.
Aus diesem Grund sind die artenreichen Rheinufer im Bereich der Nahemündung Teil eines europaweiten Netzes aus Gebieten zu Schutz seltener und gefährdeter Tiere und Pflanzen. Besondere Bedeutung hat der Mündungsbereich der Nahe gemeinsam mit der benachbarten Oberrheinebene für Vögel, die aus dem Norden und Osten Europas hierher zum Überwintern kommen oder Rast auf ihrem Zug in weiter südlich gelegene Winterquartiere einlegen. Deshalb ist die Nahemündung Teil eines Europäischen Vogelschutzgebietes. Dem Wert für andere Bewohner der Rheinaue wurde Rechnung getragen durch die Ausweisung eines großflächigen, von Mainz bis zu den Rheinkribben reichenden FFH-Gebiets, eines Gebiets zum Schutz von Pflanzen, Tieren und Lebensräumen nach europäischem Recht.