Felsen aus Menschenhand
Leben im Bahnschotter
Mit den Eisenbahnlinien hat der Mensch im 19. Jahrhundert eine Infrastruktur geschaffen, die für die wirtschaftliche Entwicklung des Rheintals von überragender Bedeutung war. Verkehrsgünstig an der Nahemündung gelegen, wuchs der Bahnhof Bingerbrück zu einem bedeutenden Rangierbahnhof mit 30 Gleisen heran.
Die Gleisanlagen mit Schotterbetten ähneln in ihren Eigenschaften natürlichen Felsen. Sie sind trocken, heiß, vegetationsarm und bilden so einen extremen Lebensraum für Tiere und Pflanzen.
Tiere wie die Blauflügelige Ödlandschrecke können in Extremsituationen an schattigere Plätze ausweichen. Pflanzen müssen sich mit Hitze und Trockenheit arrangieren. Viele Arten weisen daher besondere Anpassungen an das Leben unter diesen Bedingungen auf. Kleine Blätter, eine dicke Wachsschicht oder ein Filz aus Haaren schützen vor unnötigem Wasserverlust. Arten wie der Scharfe Mauerpfeffer speichern Wasser für Notzeiten in ihren dickfleischigen Blättern.
Kurzlebige Arten wie der Dreifinger-Steinbrech überdauern die Sommerdürre geschützt als Samen. Ihnen genügen wenige Wochen im Frühling für einen kompletten Lebenszyklus. Auch der wohlriechende Duft des Feld-Thymians dient dem Schutz. Durch die Verdunstung ätherischer Öle kühlt er sich ab, ohne dabei Wasser zu verlieren. Der Knorpellattich hingegen hat die Wasser verdunstenden Blätter fast voll ständig reduziert. Er kann im Sommer seinen gesamten Energiehaushalt aus den Photosynthese betreibenden Stängeln bestreiten.