Die jüdischen Friedhöfe
Bereits seit dem Mittelalter hat es in Bingen jüdische Bevölkerung gegeben, die erste schriftliche Erwähnung ist aus dem Jahr 1160. Rund 400 Jahre lang mussten die Verstorbenen zur Bestattung nach Mainz gebracht werden, bis die jüdische Gemeinde 1570 am Rochusberg ihren Friedhof erwarb. Damit ist er der älteste Friedhof in Bingen.
In der Publikationsreihe des Arbeitskreises Jüdisches Bingen (AKJB), heißt es in Band 1, „Zur Geschichte des jüdischen Friedhofs“ von Dr. Josef Götten, Seite 62: „Der älteste heute noch lesbare Grabstein stammt aus dem Jahre 1602 und wurde für den verdienstvollen Gemeindevorsteher Hirz Bing gesetzt.“
Aufgrund der Lage der Umfassungslinie ist zu vermuten, dass der Friedhof mehrfach erweitert wurde, auch eine Aufschüttung hat wohl stattgefunden.
Jüdische Friedhöfe werden als „Stätte“ oder „Haus der Ewigkeit“, „Haus des Lebens“, aber auch „Haus der Gräber“ oder „Haus des Todes“ bezeichnet.
Auch heute ist am Eingang/Ausgang noch ein Waschbecken vorhanden, damit sich die Gläubigen nach dem Besuch der rituellen Reinigung unterziehen können.
Mit seinen rund 1.000 erhaltenen Grabsteinen gehört er zu den größten in Rheinland-Pfalz. 880 Inschriften sind in der Epigraphik-Datenbank des Steinheim-Instituts verzeichnet.
Im älteren Teil liegen oder stehen die meist aus Sandstein gehauenen Grabsteine ohne erkennbare Grundordnung und die eingemeißelte Schrift ist hebräisch. Der neuere Teil ähnelt einem christlichen Friedhof, die Grabreihen sind gerade, die Gräber eingefasst und die Inschriften sind in deutscher Sprache (lateinische Buchstaben) und nur teilweise mit hebräischen Zusätzen und jüdischen Symbolen (wie beispielsweise die segnende Hände, die auf die Abstammung von den Geschlechtern der Kohanim zurückgehen) versehen. Der Friedhof wird von der jüdischen Gemeinde noch genutzt, die letzte Beerdigung war im Jahr 2014.
Auch ist er der letzte Ruheplatz von Dr. Isaak Ebertsheim, dem einzige jüdische Ehrenbürger der Stadt Bingen (gestorben 1901).
Heute ist die jüdische Gemeinde in Mainz Eigentümer des jüdischen Friedhofs, die Stadt Bingen hat den Pflegeauftrag übernommen. Der Friedhof ist außer an Samstagen und hohen jüdischen Feiertagen zugänglich. Bei männlichen Besuchern ist eine Kopfbedeckung erwünscht.
Früher gab es wohl auch in Büdesheim einen jüdischen Friedhof, so kann man in „Büdesheim am Scharlachberg – eine Orts- und Zeitgeschichte“ von Joseph Trablé; S. 65, nachlesen:
„Die Juden besaßen von jeher ihre eigene Schule in der Hintergaß, auch einen besonderen Friedhof. 1589 ist ihnen als Begräbnisplatz eine ,Wüstenfeldung, nicht weit von Büdesheim nach Dietersheim zu, gelegen, auf dem Hundert genannt‘ vom Stephansstift und der Gemeinde überlassen worden.“
Auch in Dromersheim und Gaulsheim gibt es noch zwei kleine jüdische Friedhöfe.
Die Literatur über den Gaulsheimer Friedhof (In der Riedgewann/Hinter dem Wasserwerk) sagt Folgendes:
„Vermutlich in der zweiten Hälfe des 19. Jh. Weitab östlich des Dorfes an der Gemarkungsgrenze mit Gau-Algesheim an einem Feldweg auf einem längsrechteckigen Areal angelegt. Nur noch drei teilweise verwitterte Grabmäler aus Sandstein, das älteste von 1894, erhalten. Einfache Stelen mit Stilmerkmalen des Historismus. Die Inschriften hebräisch. Das Geschichtsdenkmal stellt die einzige anschauliche Erinnerung an die kleine jüdische Gemeinde dar, die 1861 ca. 20 Personen umfasste.“
Aus: „Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Kulturdenkmäler in Rheinland- Pfalz – Mainz-Bingen 18.1.“ Wernersche Verlagsgesellschaft
Weitere Informationen gibt es beim Arbeitskreis jüdisches Bingen (Vorsitzender Hermann-Josef Gundlach, Tel. 06721-10502) und unter www.juedisches-bingen.de.