Salzstraße: Vor 45 Jahren wurde sie zur Fußgängerzone
In den Straßen der Stadtzentren pulsierte schon immer das Leben. Händler boten ihre Waren feil, in den Läden der Krämer und den Werkstätten der Schuster und Schuhflicker, Korbmacher, Schneider, Bäcker, Bürstenmacher, Schmiede, Kammmacher, Seifensieder und den vielen weiteren Berufen wurde produziert und verkauft.
Die Straße teilten sich die Karren und die Menschen die zum Einkaufen oder auch zum Wasserholen an einem der Brunnen unterwegs waren. Zusätzlich gab es die Marktplätze. In Bingen weisen der Speisemarkt und der Fruchtmarkt (Frucht = altes Wort für Getreide) noch heute auf ihre frühere Zuordnung hin.
Der Wandel zum moderneren Straßenbild
Im 19. Jahrhundert begann die Modernisierung der Innenstädte, die sich in der Zwischenkriegszeit fortsetzte. Mit dem Wiener Kongress fiel Bingen ab 1816 als Teil der neuen Provinz Rheinhessen an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt.
Mit dem beginnenden Tourismus, der größere Mobilität beim Reisen durch die Eisenbahn sowie Dampfschiffe auf dem Rhein, kamen immer mehr Besucher nach Bingen. Für Touristen wurden Hotels gebaut und für die Bürger entstanden neue Straßenzüge mit zum Teil prächtigen Bauten, wie zum Beispiel in der Mainzer Straße und der Gaustraße, die sichtbares Zeichen der Prosperität der Handelsstadt Bingen, aber auch der Industrialisierung waren.
Auch in Bingen standen die Zeit nach 1945 und die 1950er Jahre im Zeichen der Beseitigung der Kriegsschäden. In den 1960er Jahren waren die schlimmsten Folgen repariert und die Stadt blühte auf. Die Ladengeschäfte wurden größer und die Selbstbedienung hielt Einzug. Auch in kleineren Städten gab es nun Kaufhäuser als moderne „Konsumtempel“.
Mit oder ohne Autos?
Gleichzeitig gab es überall immer mehr Autos auf den Straßen. Doch noch galt die ungehinderte Mobilität als Zeichen des Fortschritts und die „autogerechte Stadt“ war das Leitbild der Stadtplaner.
In den 1970er Jahren erfolgte ein Umdenken. Immer mehr Städte richteten autofreie Zonen ein. Die Geschichte der Fußgängerzone begann.
Ohne Autos seit 1976
Anfang April 1976 wurde die traditionsreiche Binger Salzstraße zur Fußgängerzone. Vorher war sie bereits einige Jahre als Einbahnstraße stadteinwärts ausgewiesen (mit der Rathausstraße als Einbahnstraße stadtauswärts). Nun mussten sich die Fußgänger nicht mehr auf dem schmalen Bürgersteig aneinander vorbeidrücken, sondern hatten die gesamte Straßenbreite zum Bummeln zur Verfügung und es war genügend Platz um eines der beliebten Schwätzchen mit Bekannten zu halten.
Zusammengefasst
Die Salzstraße ist eine der ältesten Binger Straßen. Sie begann am Salztor mit der Salzpforte und dem Salzlager und führte recht steil hinauf zum Speisemarkt. Hier und in den schmalen Seitengässchen wohnten im Mittelalter zahlreiche Kaufleute, die in ihren Läden im Erdgeschoss hauptsächlich Lebensmittel verkauften. Sie waren eine angesehene Zunft mit Einfluss in der Stadt und hatten es zu einem gewissen Wohlstand gebracht, den sie auch gerne mit den verzierten Häuserfassaden zum Ausdruck brachten. Spätestens ab dem 19. Jahrhundert siedelten sich auch andere Gewerke an und es entstand ein vielfältiges Angebot von unterschiedlichen Branchen. Nun luden auch Cafés zu einer Pause ein und nach dem Krieg gab es im Haus Nr. 8 die wahrscheinlich erste Eisdiele in Bingen.
Bis in die Nachkriegszeit hinein versorgten sich die Binger überwiegend vor Ort, im Besonderen, wenn es um die Güter des täglichen Bedarfs ging. Es zählte die fußläufige Erreichbarkeit. Gerade in der warmen Jahreszeit wurde in der Regel mehrmals in der Woche frisch eingekauft, denn nur ein Teil der Bürger verfügte über eine kalte Vorratskammer.
Wenn es um die Kleidung ging, wozu auch Hüte und Schuhe gehörten, war Bingen Einkaufsstätte für die Region. Aus dem Binger Land fuhr man in die Stadt und versorgte sich dort mit fertig genähter Konfektionsware. Oft standen aber auch Stoffe auf dem Einkaufszettel, aus denen dann zu Hause in Eigenarbeit oder auch ein ortsansässiger Schneider das gewünschte Kleidungsstück nähte.