Der Hildegarten am Museum am Strom
Eigentlich müsste dieser Beitrag "Hildegard-Garten" oder "Garten der Hildegard von Bingen" heißen. Aber das kleine Wortspiel war zu verlockend, und so wurde der Garten mit einem kleinen Augenzwinkern "Hildegarten" genannt. Die große Äbtissin des Mittelalters (1098-1179) möge diesen nicht ganz korrekten Umgang mit ihrem berühmten Namen verzeihen.
Umso genauer wird ihr naturkundliches Werk im Hildegarten behandelt. Als ständige Ergänzung zur Hildegard von Bingen-Ausstellung im benachbarten Museum am Strom zeigt der Garten zahlreiche Pflanzen, die Hildegard in ihrer Naturkunde („Physica") beschrieben hat. In dieser bedeutenden Sammlung hat die gelehrte Benediktinerin beinahe 300 Kräuter, Sträucher und Bäume mit ihrer (Heil-) Wirkung auf den Menschen beschrieben. Leider ist das Werk nur in spätmittelalterlichen Abschriften überliefert, so dass heute niemand mehr den „Originaltext“ der Hildegard von Bingen kennt. Anders als in vielen populären Schriften zur so genannten „Hildegard-Medizin, die darüber schlicht hinweggehen, wird dieses Problem jedoch im Hildegarten thematisiert: Der von Steinmetzen der Bildhauer- und Steinmetz-Innung Rheinhessen gestaltete "Quellenbrunnen" am Eingang setzt sich künstlerisch mit der Quellenüberlieferung der „Physica“ auseinander.
Der didaktisch aufgebaute Hildegarten stellt in insgesamt 15 Themenbeeten und 8 Einzelbeeten das „Buch von den Pflanzen“ und das „Buch von den Bäumen“ aus der "Physica" vor und zeigt die dort beschriebenen Heilanwendungen in gebotener Seriosität auf. Die Form des 38 x 19 m und von einer 2-reihigen Hainbuchenhecke umfassten Gartens vermeidet dabei bewusst Anklänge an einen mittelalterlichen Klostergarten, denn einen „Hildegarten“ hat es historisch nie gegeben. Dennoch nimmt die Wahl des gelb-rötlichen Sandsteins als Belagsmaterial für die Plätzchen und die Beeteinfassungen Bezug auf Hildegard: Dieses Natursteinmaterial dürfte sie von ihrer Jugend auf dem Disibodenberg im Nahetal her gekannt haben. Die schmalen orthogonal gewinkelten Wege ermöglichen nur eine langsame, ruhige Durchquerung des Gartens und fördern dadurch die Auseinandersetzung mit der Natur- und Heilkunde Hildegards. Die kleinen Plätzchen mit Bänken laden zum Verweilen ein.